• Gastbeitrag

    Street Art: Menschen und ihre Werke

    Street Art: Menschen und ihre Werke

    Mit Street Art ist die künstlerische Fassadengestaltung gemeint. Die teils haushohen Werke sind beliebte Fotomotive – noch belebender wirken die Bilder, wenn Menschen darin eine Rolle spielen. Hier erfährst du, wie du Street-Fotografie mit Street Art kombinieren kannst.

    Streetfotografie

    In urbanen fremden Umgebungen unterwegs zu sein, ist für Reise Fotograf*innen meist mit Postkartensujets verbunden: Strassenzüge, enge Gassen, Plätze, Promenaden und Sehenswürdigkeiten. Überwindung und Mut braucht das Fotografieren von fremden Personen in bestimmten Strassenszenen. Wenn du mit einer Kompaktkamera unterwegs bist, die klein und unscheinbar wirkt, wird dir weniger Abwehrhaltung begegnen, als wenn du mit einer Profiausstattung daherkommst. Grundsätzlich ist das Fotografieren von Personen ohne deren Einwilligung als «nicht erlaubt» anzusehen, und jeder Mensch hat das Recht am eigenen Bild. In vielen Situationen des öffentlichen Lebens auf der Strasse ist es jedoch nicht praktikabel, alle zu fragen, ob man fotografieren dürfe. Trotzdem empfehle ich es dir aber natürlich sehr, dies zu tun. Wenn man Personen direkt anspricht und sich mit ihnen unterhält, sind diese oftmals offener als gedacht. Im Amateurbereich ohne kommerzielle Nutzung ist das Fotografieren von Personen wenig problematisch. Bei Veröffentlichung in Social-Media-Kanälen muss man sehr vorsichtig sein und damit rechnen, abgemahnt zu werden, ein Bild zu löschen. Keine grosse Sache also. Beim Entscheid, draufzuhalten oder zu verzichten sage ich: fotografiere! Du kannst das Bild auf Verlangen immer löschen.

    Und gerade überraschte Gesichter sind ausdrucksstarke Motive. Ich empfehle dafür ein Zoomobjektiv von etwa 24–80 mm Brennweite. Halte die Kamera immer in der Hand bereit und fotografiere mit der Programmautomatik (P) oder der Zeitvorwahlautomatik (S oder T). Achte auf eine Verschlusszeit von 1/125 Sek. und kürzer, damit die Bilder nicht verwackelt werden.

    In der Streetfotografie kannst du kaum planen, die Situationen ergeben sich laufend, wenn du durch eine Stadt oder eine Gegend streifst. Konzentriere dich aber nicht auf die Sehenswürdigkeiten, sondern auf die Menschen. Fotografiere sie wenn möglich nicht von hinten – Rückenansichten sind nun einmal nicht so interessant anzusehen wie Gesichter. Wenn du den Mut nicht aufbringst, einfach drauflos zu fotografieren, fragst du einfach, ob du fotografieren darfst. Wenn du als Tourist*in höflich und freundlich bist, wirst du viele Menschen ablichten dürfen, ohne dabei einen Stress zu haben. Und mehr als ein Nein kann dir nicht passieren.

    Ein überraschtes Gesicht darzustellen, ist eine Herausforderung. Die Auslösung erfolgt mit dem ersten Blick in die Kamera.
    Ein überraschtes Gesicht darzustellen, ist eine Herausforderung. Die Auslösung erfolgt mit dem ersten Blick in die Kamera.

    Du wirst immer Menschen in einer fotografisch reizvollen Situation finden. Gesichter fesseln die Betrachter stärker als Architektur oder Sachen. Du musst nur den Mut finden, die Kamera hochzunehmen und auf den Auslöser zu drücken ... Halte anschliessend die Kamera vor dem Gesicht und fotografiere einfach etwas nach links oder rechts gerichtet weiter. Dein Model wird sich dann denken, dass du es auf die Umgebung abgesehen hast.

    Vater und Sohn sind ganz in ihrem Handy versunken. Der Drink steht abseits und scheint nebensächlich. In einer Strandbar in der Algarve, Portugal.
    Vater und Sohn sind ganz in ihrem Handy versunken. Der Drink steht abseits und scheint nebensächlich. In einer Strandbar in der Algarve, Portugal.
    Als der Kellner eine Bestellung notiert hat, habe ich mich ihm bis auf zwei Meter unbemerkt angenähert. Ich wartete einfach, bis er mich bemerkte und aufschaute. Dann habe ich abgedrückt. Siracusa, Sizilien.
    Als der Kellner eine Bestellung notiert hat, habe ich mich ihm bis auf zwei Meter unbemerkt angenähert. Ich wartete einfach, bis er mich bemerkte und aufschaute. Dann habe ich abgedrückt. Siracusa, Sizilien.
    Einheimischer und Tourist begegnen sich zufällig, doch sie befinden sich in einer eigenen Welt. Der Alte im Vordergrund schaut weg, die Linie in der Fassade und der gepflasterte Weg führen das Auge von ihm zum neugierigen Touristen.
    Einheimischer und Tourist begegnen sich zufällig, doch sie befinden sich in einer eigenen Welt. Der Alte im Vordergrund schaut weg, die Linie in der Fassade und der gepflasterte Weg führen das Auge von ihm zum neugierigen Touristen.

    Streetfotografie verzichtet oft auf Farbe, da diese vom Motiv ablenken kann. Ob das Bild farbig oder schwarzweiss wird, wirst du in der Bildverarbeitung entscheiden – manchmal ist die Farbe für das Bild förderlich, manchmal stört sie. Die Schwarzweiss-Darstellung besticht durch die Linienführung, die Struktur und den Kontrast. Menschen als kleine Figürchen in der Architektur betonen die Grössenverhältnisse.

    Die weit spannende und flächige Betondecke in der EPFL, Lausanne, führt mit ihrer runden Form den Blick auf die stehende Figur, die sich im Gegenlicht schwarz vor dem Grund abhebt.
    Die weit spannende und flächige Betondecke in der EPFL, Lausanne, führt mit ihrer runden Form den Blick auf die stehende Figur, die sich im Gegenlicht schwarz vor dem Grund abhebt.
    Links: Im Guggenheim-Museum, Bilbao, zeigen sich schmale Durchgänge im Ausstellungsraum. Mit etwas Geduld schlendern dort immer wieder Leute vorbei, die es in Szene zu setzen gilt. Rechts: Bei Arkaden in der Architektur ist der Sonnenstand für den Schattenwurf und die Struktur der Fassaden matchentscheidend. Credit-Suisse-Gebäude, Zürich-Oerlikon.
    Links: Im Guggenheim-Museum, Bilbao, zeigen sich schmale Durchgänge im Ausstellungsraum. Mit etwas Geduld schlendern dort immer wieder Leute vorbei, die es in Szene zu setzen gilt. Rechts: Bei Arkaden in der Architektur ist der Sonnenstand für den Schattenwurf und die Struktur der Fassaden matchentscheidend. Credit-Suisse-Gebäude, Zürich-Oerlikon.

    Street-Art-Fotografie

    Die urbane Umgebung hält grossartige Kunst bereit, die allemal interessante Fotosujets abgeben. Street Art verbindet Architektur und Kunst, die oft eine skurrile Symbiose eingehen.

    Coimbra, Portugal: Die Fassadenkunst scheint hier die Architektur zu übernehmen. In der blauen Stunde kontrastieren die Farben der warmen Strassenbeleuchtung mit dem blauen Himmel.
    Coimbra, Portugal: Die Fassadenkunst scheint hier die Architektur zu übernehmen. In der blauen Stunde kontrastieren die Farben der warmen Strassenbeleuchtung mit dem blauen Himmel.

    Wenn du deine Street-Art-Fotografie mit Motiven im Vordergrund anreicherst, schaffst du eine vielschichtige Bildgestaltung, die eine Geschichte erzählen kann. Allerdings brauchst du dafür Glück und manchmal auch grosse Geduld. Aber das Warten auf das richtige Motiv im Vordergrund lohnt sich.

    Street Art in Mailand: Die künstlerische Bedrohung an der Wand zieht die Aufmerksamkeit der Passantin auf sich und erzählt eine eigene Geschichte. Langes Warten, bis eine Frau vor dem Graffito vorbeigeht, machen solche Motive lohnenswert.
    Street Art in Mailand: Die künstlerische Bedrohung an der Wand zieht die Aufmerksamkeit der Passantin auf sich und erzählt eine eigene Geschichte. Langes Warten, bis eine Frau vor dem Graffito vorbeigeht, machen solche Motive lohnenswert.
    Die Handyfrau macht aus dem Objekt der Begierde ein interessantes Motiv. Die Bildgestaltung führt vom Kopf über das Abbild auf dem Screen zum Wandbild. Die Entstehung eines Werkes wird gleich dreifach durch das Graffito, das Handybild und das eigentliche Foto dokumentiert.
    Die Handyfrau macht aus dem Objekt der Begierde ein interessantes Motiv. Die Bildgestaltung führt vom Kopf über das Abbild auf dem Screen zum Wandbild. Die Entstehung eines Werkes wird gleich dreifach durch das Graffito, das Handybild und das eigentliche Foto dokumentiert.
    Mailand, Porta Ticinese: Ein japanische Tänzerin nimmt in ihrem Tanz Bezug auf das Street-Art-Motiv und wird vom Partner gefilmt. Street Art ist wie geschaffen für einen Bezug zwischen Kunst und Realität.
    Mailand, Porta Ticinese: Ein japanische Tänzerin nimmt in ihrem Tanz Bezug auf das Street-Art-Motiv und wird vom Partner gefilmt. Street Art ist wie geschaffen für einen Bezug zwischen Kunst und Realität.
    Zwei Schulmädchen pausieren in einer Mailänder Gasse. Träumen sie wohl von einer Filmkarriere? Der unscharfe Fahrradfahrer am Ende der Gasse scheint sich (oder den Traum) in Luft aufzulösen.
    Zwei Schulmädchen pausieren in einer Mailänder Gasse. Träumen sie wohl von einer Filmkarriere? Der unscharfe Fahrradfahrer am Ende der Gasse scheint sich (oder den Traum) in Luft aufzulösen.
    Ralf Turtschi

    Ralf Turtschi

    Als Fachbuchautor und Publizist hat sich Ralf Turtschi einen Namen geschaffen. Er ist als Fotoreporter, Hobbyfotograf und Dozent unterwegs und gibt technische und gestalterische Tipps rund um die Fotografie weiter. Dabei haben es die Genres Natur, Landschaft, Porträt, Reisen, Makro, Architektur, Nacht besonders angetan.

    Weitere Infos: www.agenturtschi.ch

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