Bildgestaltung – Licht und Schatten
Licht und Schatten sind die Voraussetzung, dass wir die Umwelt visuell wahrnehmen können, und somit sind sie zentral für unser Sehen selbst. Ebenso zentral sind Licht und Schatten somit für die Fotografie. Das Licht zeichnet die Formen und formt den Schatten. Anhand verschiedener Bildbeispiele soll dir dieser Beitrag helfen, die Möglichkeiten der Bildgestaltung mit Licht und Schatten besser zu verstehen.
In meiner Fotografie arbeite ich sehr gezielt mit Licht und Schatten, um den Charakter der Sujets besser herausholen zu können. In der Landschaftsfotografie braucht es viel Geduld, um die perfekten Lichtverhältnisse zu bekommen. Oft benötige ich da mehrere Versuche, bis alles passt. Das Scheitern gehört zum Prozess immer mit dazu. Dadurch weisst du danach genau, was du das nächste Mal anders machen musst.
Sehr viel direkter kannst du in der Studiofotografie auf Anpassungen reagieren. Du musst dafür alles selbst inszenieren. Deshalb beginne ich hier mit einigen inszenierten Beispielen, die du gerne auch nachstellen kannst. Mit Studio meine ich übrigens nicht unbedingt ein professionell ausgerüstetes Fotostudio, sondern auch inszenierte Fotografie zuhause, die mit ganz einfachen Mitteln auskommen kann. Anregungen zu solchen einfachen Mitteln findet ihr bei den Tipps.
Licht/Schatten und Kontur
Anhand des Kaktusbildes können wir sehen, wie Streiflicht die Konturen des Kaktus heraushebt und so die Stacheln besonders hervortreten lässt. In der Simultanperspektive im Spiegel erkennen wir, dass die Richtung des Lichts zentral für die Herausschälung der wichtigen Elemente eines Sujets ist. Im Spiegelbild wirken die Stacheln nicht stark, weil sie Teil der weissen Lichtkonturen sind und nicht wie beim eigentlichen Kaktus sich vom dunklen Hintergrund abheben.
Tipp
Am besten stellst du dir jeweils vor dem Fotografieren die Frage, was du eigentlich zeigen möchtest. Ist es die Fläche? Die Kontur? Dann weisst du schon einmal, aus welcher Richtung die Lichtquelle kommen soll. Das kannst du beispielsweise auch auf Portraits anwenden.
Licht/Schatten und Oberfläche
In diesem zweiten Stillleben siehst du, wie das gleiche Licht wie oben (Streiflicht) auf verschiedene Objekte trifft und so unterschiedliche Texturen aus den Oberflächen herausholt. So kommt bei der Aubergine der Glanz der Schale besonders zum Ausdruck. Ebenfalls sichtbar wird die Opazität der Trauben, welche als volle Körper ausgeleuchtet werden. Entscheidend sind beim Licht nicht nur die Richtung und Stärke, welche sich dann auf die Helligkeit des Sujets auswirken, sondern auch die Härte. Unter Härte versteht man, ob die Lichtstrahlen alle parallel auf das Sujet treffen und somit harte Schatten mit starken Kontrasten hervorrufen oder ob sie verstreut aus allen Richtungen kommen (diffus). Ein einfaches Beispiel dafür ist ungebrochenes Sonnenlicht gegenüber Sonnenlicht durch Nebel (siehe Beispiele unten).
Tipp
Spiele mit verschiedenen Lichtquellen, um unterschiedliche Aspekte deines Sujets herauszustellen. Eine Möglichkeit, um mit einfachen Mitteln zu experimentieren, sind die Handytaschenlampe und Backpapier als Diffusor.
Beispiele in natürlichem Licht
In dieser Fotografie habe ich das flache Abendlicht genutzt, um die Äderchen der Blätter leuchten zu lassen und den samtigen Pelz rund um das Blatt sichtbar zu machen. Der Hintergrund war im Schatten, deshalb leuchtet das Blatt so. Für eine ähnliche Fotografie empfehle ich starkes Abendlicht, damit die Sonne auch noch durch die Blattpigmentierung hindurchleuchten kann.
Tipp
Fotografiere in flachem Abendlicht, um einzelne Objekte besser ins gerichtete Licht rücken zu können.
Gerade anders als beim Bild der Alchemilla habe ich hier einen Lichtfleck am Ende des Waldes genutzt, um der Schlüsselblume die volle Aufmerksamkeit zu verleihen. Der Lichtfleck zieht das Auge auf sich und kontrastiert mit den gelb-leuchtenden Blättern der Blüten. Als Eyecatcher wandert das Auge schlussendlich zum kleinen Käferchen, welches sich mit seiner dunklen Farbe am stärksten vom Licht abhebt.
Tipp
Helle Bildteile ziehen das Auge auf sich. Damit kannst du die Komposition gezielt steuern.
Wald im Nebel
In dieser Waldszene ermöglichte das durch den Nebel entstandene diffuse Licht eine mystische Atmosphäre. So gibt es keine klare Trennung von Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund mehr. Die Blickführung soll in dieser Fotografie vom klaren, scharfen, gesättigten Vordergrund zum Hintergrund hinüberführen und schlussendlich im weichen Licht enden.
Tipp
Nebel ist super, um mit dem Weichen, Unklaren, Unkonkreten zu spielen. Licht und Schatten fliessen ineinander.
Berglandschaft im Wolkenspiel
Um die Hügel voneinander zu trennen, habe ich hier auf den richtigen Moment des Wolkenspiels gewartet, bis gewisse Hügel sonnenbeschienen waren und die anderen komplett im Schatten standen. So kontrastieren sie miteinander und ermöglichen eine grafische Abstraktion.
Tipp
Grosse Kontraste in Licht und Schatten ermöglichen grafische Abstraktionen, die dem Raum die Tiefe geben oder nehmen können.
Um Licht und Schatten gekonnt einsetzen zu können, sollte man sich Folgendem bewusst sein: Licht leuchtet nicht ohne Schatten und Schatten kontrastiert nicht ohne Licht. Sie sind also immer eng miteinander verknüpft. Das Verhältnis zueinander bestimmt nicht nur die Komposition, sondern lenkt die Aufmerksamkeit sowie den Blick auf bestimmte Bildfragmente.
Wo hört eigentlich das Licht auf und wo beginnt der Schatten? Die Räume dazwischen können als Aktionsräume genutzt werden. Das Experiment lohnt sich. Dadurch bekommst du ein besseres Verständnis, wie du Licht und Schatten in deiner Fotografie einsetzen möchtest. Versuch es doch einfach mal. Ich empfehle dir, so viel wie möglich auszuprobieren und zu experimentieren. So gelingen dir ganz bestimmt sehr spezielle Bilder. Ich hoffe, du kannst dich für das Thema Licht und Schatten genauso begeistern wie ich.
Profil:
Andri Laukas ist Künstler und Lehrer aus der Schweiz. Mit einer Vielfalt von künstlerischen Interventionen schafft er Dialogräume für unsere eigenen Erfahrungen der Welt. Oftmals verwendet er Irritationen, um die Betrachtenden auf neue Wege des Suchens zu schicken. Er gibt auch Workshops, beispielsweise in Landschaftsfotografie.
www.andrilaukas.com/
Instagram: https://www.instagram.com/andrilaukas/