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Gastbeitrag

Minimalismus: die Kunst, wegzulassen

Minimalismus: die Kunst, wegzulassen

Minimalismus ist die Gegenwelt des Überflusses. In der Fotografie versprechen klare und einfache Formen eine eindrückliche Bildsprache. Konzentriere dich auf das Motiv und verzichte auf Unnötiges.

Hervorheben durch Verzicht

Beim Minimalismus liegt der Fokus auf dem für das Bild unverzichtbaren – alles andere wird mit bestimmten Gestaltungstechniken aus dem Bild herausgehalten, abgeschnitten, abgesoftet oder eingefärbt.

Eine einfache Methode ist der Verzicht auf Buntheit oder auf Farbe generell. Solche Fotos werden als monochromatisch bezeichnet. Besonders wirksam ist die Kombination von reduzierter Farbe und reduzierter Formsprache. Durch den Verzicht kommt der Rest, also das was auf dem Bild noch vorhanden ist, viel besser zum Tragen.

Minimalismus und Landschaft

Die Natur bietet unzählige Möglichkeiten, Minimalismus auszuprobieren. Wenn du fotografierst, denke dabei an den Umgebungsraum, an die Weite und an das Nichts. Spiel mit der Weite des Horizontes oder mit der Unschärfe, achte darauf, grosse Teile des Fotos einfach «leer» zu lassen.

Monochromatische Stimmung
Minimalismus ist in vielen Landschaftsaufnahmen angesagt. Die monochromatische Stimmung schafft einen zusätzlichen Reiz.
Minimalismus Farben in Pastell
Minimalismus: Im Bild wird mehr angedeutet als gezeigt. Die Farben sind in Pastell gehalten und sanft verlaufend.
Schemenhafte Darstellung Unklare verwischten Konturen
Die schemenhafte Darstellung, das Unklare, die verwischten Konturen: das macht Minimalismus in der Landschaftsfotografie aus.
Tiefe Bildkante in Kombination mit Silhouette
Die tiefe Bildkante in Kombination mit einer Silhouette ist eine typische minimalistische Bildgestaltung.
Bildkomposition aus zwei Bögen und Diagonalen der Figuren mit Schatten
Die Bildkomposition besteht aus zwei Bögen und der Diagonalen der Figuren mit ihren Schatten. Die monochromatische Farbgebung unterstreicht den minimalistischen Aufbau.
Bilddeutung im Auge der betrachtenden Person
Die Kunst des Weglassens überlässt der Betrachterin/dem Betrachter die Bilddeutung.

Monochromatische Fotos

Monochromatische Fotos können während der Aufnahme entstehen, aber auch in Lightroom oder Photoshop nachträglich gestaltet werden. Ob das Foto nun aus exakt einer Farbe besteht oder ob du verschiedene Nuancen einer Farbe zulässt, spielt keine Rolle.

Monochromatische mystische Atmosphäre
In Museen, Kunsthäusern oder bei Veranstaltungen wird oft monochromatisches Licht eingesetzt, was eine mystische Atmosphäre schafft.
Silhouettenbilder in der Nacht aus Blau und Schwarz.
Nachts entstehen Silhouettenbilder aus Blau und Schwarz.

Minimalismus im urbanen Raum

Minimaldesign lebt von Formen und Farben, die ein gewisses Mass an Abstraktion aufweisen. Hierzu sind Sujets geeignet, die aus geometrischen Formen, beziehungsweise Mustern, bestehen oder die durch eine hohe Sättigung bestechen.

Geometrie im urbanen Umfeld
Die Geometrie beherrscht dieses Bild aus Hamburg – die Farben sind unwichtig. Die winzige Strassenbeleuchtung setzt das Ganze in ein irres Grössenverhältnis.
Häuserfassaden als minimalistische Foto Sujets
Bunte Häuserfassaden wie hier in Burano (Venedig) sind beliebte Sujets für eine minimalistische Gestaltung.

Formen und Akzente

Die Reduktion des Fotos auf rein farbliche oder formale Reize zeugt vom Blick aufs Detail. Betrachte einmal alles, was rund oder viereckig ist oder alles, was in knalligen Farben leuchtet. Wähle dann den Ausschnitt, der die Geometrie in den Vordergrund stellt. Du kannst die Linien und Formen gerade ausrichten oder beliebig schräg inszenieren.

Formen und Akzente Stockwerkbeschriftung
Stockwerkbeschriftung «0» im Parkhaus Urania, Zürich. Von weiter betrachtet, sieht die Null normal aus. Beschriftungen, Schaufenster oder Strassenschilder sind prädestiniert für die minimalistische Fotografie.
Aufgelockerte geometrische Bildaufteilung mit unscharf-bewegten Motiv
Die geometrische Bildaufteilung wird mit dem unscharf-bewegten Motiv aufgelockert. Die Andeutung ist eine Ausdruckweise des Minimalismus.
Gekippte Aufnahmen mit dynamischer Wirkung
Gekippte Aufnahmen wirken besonders dynamisch. Der starke Beschnitt und die entgegengesetzten Diagonalen betonen die Bildaussage.
Formen und Akzente
Bilder mit harten Bildschnitten, geometrischen Formen, Farbkontrasten und Zeichen wirken minimalistisch.

Porträts im Fokus

Personen in einer natürlichen Umgebung minimalistisch zu fotografieren, ist nicht einfach, denn oft wirkt der Hintergrund zu lebendig. Suche strukturarme Wände oder Mauern als Hintergrund aus und warte, bis dir die Motive vor die Linse geraten. Achte darauf, dass das Licht seitlich einfällt.

Reduktion aufs Motiv
Die Reduktion aufs Motiv macht die Bildaussage stark. Der Hintergrund weist keine störenden Elemente auf, die Aufnahme ist authentisch und wirkt nicht gestellt.
High-Key-Aufnahmen mit wenigen Tonwerten
High-Key-Aufnahmen leben von wenigen Tonwerten. Diese Art kommt besonders in Schwarz-Weiss zur Geltung.
Low-Key-Porträt
Bei diesem Low-Key-Porträt besteht der Hintergrund aus Schwarz – nichts lenkt vom Gesicht ab. Solche Aufnahmen entstehen im Studio oder nachts bei farbiger Beleuchtung.

Die Andeutung

Das «Vertuschen» von Bildinformationen kann durch gezielt eingesetzte Unschärfen entstehen. Bei Belichtungszeiten von mehr als einer halben Sekunde wirst du überraschende Bilder schiessen, die wie künstlerische Farbkleckse wirken.

Andeutung mit langer Belichtungszeit
Mit langer Belichtungszeit werden Bilder zu bunten Flecken, die den Inhalt nur andeuten.
Andeutung in der Geschwindigkeit des Objektes
Wenn du die Kamera in der Geschwindigkeit des Objektes mit einer Belichtungszeit von etwa einer viertel Sekunde mitziehst, gestaltest du solche minimalistischen Effekte. Tagsüber ist zuviel Licht, ich arbeite deshalb mit einem Neutraldichtefilter, um lange Belichtungszeiten überhaupt zu ermöglichen.
Andeutung gespiegelte Lampe im Schaufenster
Die Lampe spiegelt sich im Schaufenster. Sie liegt in der Mitte, seitlich teilt sie das Bild in die Proportion 1:4.
Schattenbilder vage Spiegelungen
Schattenbilder oder vage Spiegelungen sind Spielarten mit Räumen: was ist drinnen, was draussen?

Unscharfeffekte durch offene Blende

An Klarheit gewinnt ein Bild, wenn sich das Motiv vor dem Hintergrund abhebt. Die Figur auf dem Bild kann durch den Kontrast, die Farbe oder die Schärfe herausgearbeitet werden. In der Makrofotografie werden offene Blenden (ca. f2 bis f5) eingesetzt, um den Hintergrund in die Unschärfe zu legen. Im Fachjagon wird die Unschärfe mit Bokeh bezeichnet. Dabei entstehen je nach Optik Zerstreuungskreise.

Unscharfeffekte durch offene Blende
Reduzierte Farbgebung
Die Farbgebung ist reduziert. Eine offene Blende lässt den Hintergrund verschwimmen.
Ralf Turtschi

Ralf Turtschi

Als Fachbuchautor und Publizist hat sich Ralf Turtschi einen Namen geschaffen. Er ist als Fotoreporter, Hobbyfotograf und Dozent unterwegs und gibt technische und gestalterische Tipps rund um die Fotografie weiter. Dabei haben es die Genres Natur, Landschaft, Porträt, Reisen, Makro, Architektur, Nacht besonders angetan.

Weitere Infos: www.agenturtschi.ch

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